Weihnachten Keine Spur von X-Mas-Partylaune
Wie schnell sich doch die Zeiten ändern können. Vor einem Jahr noch hatten junge Tech-Unternehmen und Internet-Start-ups aus dem Vollen geschöpft und hunderttausende von Dollar für exorbitante Weihnachtsfeiern ausgegeben: Konzertsäle waren gemietet, komplette Popbands engagiert worden, die Belegschaften kredenzten nur edelste Speisen und Getränke auffallen um jeden Preis, lautete das Motto.
In diesem Jahr herrscht vielerorts schon vor der X-Mas-Party Katerstimmung. Unzählige Massenentlassungen, zahlreiche Pleiten vielversprechender Dotcoms sowie der anhaltende Abwärtstrend des Nasdaq haben vielen Hightech-Firmen die Feierstimmung ordentlich verdorben.
So fallen derzeit vor allem im Silicon Valley die Weihnachtsfeierlichkeiten weitaus bescheidener aus als noch 1999. Viele Unternehmen veranstalten lediglich kleine Feste in ihren Büroräumen, zahlreiche haben ihre Partys gar komplett gestrichen.
Parties sind zu teuer
"Viele junge Valley-Unternehmen können es einfach schon moralisch nicht mehr rechtfertigen, große Weihnachtspartys zu schmeißen", erklärt Andrea Crittenden, Sales- und Events-Managerin bei der Great American Music Hall in San Francisco, im vergangenen Jahr Schauplatz mehrerer Dotcom-Weihnachtsfeten.
Erst vergangene Woche hatten zwei Internetfirmen ihre in der populären Konzerthalle geplanten Feierlichkeiten abblasen müssen. "Den Hightech-Workern vergeht mittlerweile einfach die Lust, weil erst vor kurzem jeder zweite ihrer Kollegen entlassen wurde", so Crittenden.
"Weihnachtsfeiern waren für Tech-Firmen letztes Jahr gigantische Prestige-Events. Die haben Partys geschmissen, so groß es nur ging", bestätigt auch Robert Kowal, alias "DJ Motion Potion", der seit Jahren bei Festen von Unternehmen aus der "Bay Area" für Stimmung sorgt.
"Nun wird wesentlich verhaltener gefeiert. Viele der Firmen, die im vergangenen Jahr noch zehntausende Dollar verprasst haben, versuchen nun ihren Investoren zu zeigen, wie verantwortungsbewusst sie mit ihrem Geld umgehen."
Internetberater sagt Weihnachtsfeier ganz ab
Diese Woche hätte Diskjockey Kowal eigentlich bei der X-Mas-Party der Internet-Consultingfirma Scient Corp. auflegen sollen. Bekanntermaßen waren Internet-Beratungsfirmen in den vergangenen Monaten ganz besonders hart von der Dotcom-Krise betroffen so auch Scient.
Nachdem der Aktienkurs des Unternehmens mittlerweile von über 133 US-Dollar auf unter vier US-Dollar gefallen war und das Unternehmen mehr als 460 Angestellte entlassen sowie zwei Niederlassungen schließen musste, ist die Weihnachtssause kurzerhand "gecancelled" worden. "Angesichts der momentanen Verfassung unseres Unternehmenes ist nur wenigen Angestellten nach großen Feierlichkeiten zu Mute", erklärte Scient-Sprecher Byers Watt die Absage der Feier.
Doch auch im Osten der USA gleicht die Situation längst der im innovativen Nordkalifornien: In Atlanta etwa hat die Internet-Company iXL Enterprises Inc. sämtliche kostspieligen Weihnachtsfeierlichkeiten auf Eis gelegt.
Erst vergangenen Monat hat die Web-Firma 850 Mitarbeiter entlassen und einen Kurseinbruch ihrer Papiere von 58 US-Dollar auf weniger als einen hinnehmen müssen. "In den letzen Jahren haben wir wie so viele andere Online-Unternehmen alles andere als bescheiden Weihnachten gefeiert," erklärte iXL-Sprecher Bill Getch diese Woche. "Dieses Jahr wird die Feier eher als kleines, familiäres 'Get-together' in unseren Büroräumen abgehalten. Ich bin mir aber dennoch sicher, dass wir sehr viel Spass haben werden."
Rauschendes Fest wider der Krise
Dem Abwärtstrend der "New Economy" zum Trotz lassen sich in der San-Francisco-Bay-Area zahlreiche Tech-Firmen die Laune nicht verderben und begehen das "Fest der Liebe" im großen Stile: So buchte etwa die florierende Internet-Company Yahoo ebenso wie der Nobel-Einzelhändler Williams-Sonoma für seine Firmenparty mit dem "Exploratorium" ein Wissenschaftsmuseum inmitten der Stadt.
Auch Cnet veranstaltete in der eindrucksvollen San Franciscoer "City Hall" eine rauschende Party. Die Web-Company hatte sogar extra eine Martini-Bar eingerichtet, die ein überdimensionierter Eiswürfel in Form des Firmenlogos zierte. Im Treppenhaus hatte eine mehrköpfige Popcombo ihr Bestes gegeben.
Jochen A. Siegle, San Francisco