Wenn heute das neue Bundeskabinett im brandenburgischen Meseberg sein Treffen fortsetzt, sollen am Ende auch Entscheidungen stehen: so auch zur leidigen Frage der Stickoxidbelastung durch Diesel-Autos in deutschen Großstädten. Offenbar ist hier die Entscheidung schon gefallen, jedenfalls wenn man Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Glauben schenkt.
Der CSU-Mann hält technische Nachrüstungen bei Dieselautos für den falschen Weg. "Berichte über einen Dieselfonds für Hardwarenachrüstungen haben für Irritationen gesorgt, aber ich versichere Ihnen: Da ist nichts dran", sagte Scheuer der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochausgabe). Den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) sagte er: "Ein solches Programm gibt es nicht."
Der Verkehrsminister zeigte sich zuversichtlich, die Probleme trotzdem und ohne Fahrverbote lösen zu können. "Wir im Bundesministerium für Verkehr haben rechtliche und technische Vorbehalte gegen den nachträglichen Einbau von Abgasreinigungssysteme in ältere Fahrzeuge", sagte Scheuer. Er wolle die Einhaltung der Grenzwerte ohne Hardware-Nachrüstungen erreichen.
Der "Spiegel" hatte zuvor berichtet, in der Bundesregierung gebe es Überlegungen über einen Milliardenfonds mit Beteiligung der Autoindustrie zur technischen Nachrüstung von Dieselfahrzeugen. Zumindest ein Teil der Dieselflotte könnte nachgerüstet werden. Dazu prüfe die Koalition, ob Autokonzerne fünf Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen. Die Regierung würde Geld zuschießen.
Unter anderem Umweltverbände fordern seit langem sogenannte Hardware-Nachrüstungen bei Dieselautos - also Umbauten an Motor oder Abgasanlage. Die Hersteller lehnen dies ab, weil solche Hardware-Nachrüstungen zu aufwendig und teuer seien. Sie setzen auf Software-Updates, um Emissionen zu senken.
Dabei gilt als sicher, dass nur technische Nachrüstungen den Ausstoß von Stickoxiden effektiv und ausreichend senken können.
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol warnte daher bereits: "Die Industrie muss sich entscheiden: Entweder fährt der Diesel bei Fahrverboten komplett gegen die Wand, oder er hat als Brückentechnologie noch eine Chance." Alleinige Software-Updates reichten jedenfalls nicht aus, so Bartol. "Die technische Nachrüstung von Euro 5 und Euro 6 Diesel-Fahrzeugen muss kommen. Die Kosten dafür dürfen selbstverständlich nicht bei den Autofahrerinnen und Autofahrern hängen bleiben."
Wie die Bundesregierung anderweitig Fahrverbote für Dieselautos in Städten verhindern will, ist unklar. Unabhängige Gerichte werden sich von der Zauderhaftigkeit der Regierung in dieser Frage wohl kaum beeindrucken lassen.
Autokäufer lassen Diesel-Fahrzeuge immer öfter links liegen - zu groß scheint vielen angesichts des Abgasskandals die Gefahr von Fahrverboten in großen Städten. Dabei schickt sich eine neue Generation von Selbstzündern an, Stickoxide endlich effektiv aus den Abgasen herauszufiltern. Wir zeigen die ersten Autos mit dieser Norm Euro 6d-temp, die im realen Straßenverkehr nun noch 168 Milligramm NOX pro Kilometer ausstoßen dürfen.
A7 Sportback 50 TDI
Markteinführung: Februar 2018
Der A7 ist der erste 6d-Diesel aus dem Konzern, der in den USA 2015 den Skandal auslöste.
Quelle: ADAC
BMW 216d/218d/220d Active Tourer
Markteinführung: März 2018
Auch BMW hatte Probleme mit dem Stickoxid-Ausstoß unter realen Fahrbedingungen.
BMW X1 sDrive18d/xDrive18d/xDrive20d
Markteinführung: März 2018
Eine doppelte Abgasreinigung aus Speicherkatalysator und SCR-Katalysator mit AdBlue soll die Probleme gelöst haben.
BMW X2 sDrive18d/X2 xDrive18d/X2 xDrive20d
Markteinführung: März 2018
Lange galt BMW als sauber, doch das Bild bekam zuletzt mehr Risse - auch wegen einer Razzia bei dem Autobauer.
DS 7 Crossback BlueHDi 130/180
Markteinführung: Februar 2018
Der Luxuswagen stammt aus dem PSA-Konzern. Dieser ließ sich von Umweltschützern den geringen Schadstoffausstoß mehrerer Modell bestätigen.
Ford Ka+ 1.5 TDCi/Ka+ Active 1.5 TDCi
Markteinführung: März 2018
Auch Ford will mit einem neuen Diesel zeigen, dass nun doch geht, was lange angeblich unmöglich war: Eine ordentliche Abgasreinigung.
Civic 1.6 i-DTECl
Markteinführung: März 2018
Praktisch alle Hersteller - egal ob aus Asien, Europa oder den USA - mussten ihre Fahrzeuge um Abgasreinigungs-Technik ergänzen.
Mini Clubman One D/Cooper D/Cooper SD
Markteinführung: März 2018
Mini reagierte ebenfalls auf den Umstand, dass auch normale Euro-6-Diesel in der Realität meist viel mehr Stickoxide ausstießen als auf dem Prüfstand erlaubt.
Countryman One D/Cooper D/Cooper SD
Markteinführung: März 2018
Laut Umweltbundesamt kamen sie auf der Straße im Schnitt auf 507 Milligramm NOX pro Kilometer. Neue Euro6d-temp-Diesel kommen nur noch auf ein Bruchteil.
Mercedes A 180 d
Markteinführung: Mai 2018
Mercedes hat besonders früh reagiert - und sich sogar ein Lob vom Erzfeind, der Deutschen Umwelthilfe, eingeholt.
Mercedes E 300 d/T-Modell
Markteinführung: Februar 2018
Manche Umweltschützer fragen aber, warum nun möglich ist, was lange als unmöglich gilt.
Mercedes CLS 350 d Coupé/400 d Coupé
Markteinführung: Mai 2018
Erst der Druck aus der Öffentlichkeit habe die Autobauer und Zulieferer sensibilisiert.
Opel Mokka X 1.6 Diesel
Markteinführung: März 2018
Sogar in etwas kleineren Modellen findet sich plötzlich Platz für bessere Katalysatoren.
Opel Grandland X 2.0 Diesel StartStop
Markteinführung: November 2017
Die Frage ist, ob die Kunden wieder Vertrauen zum Diesel fassen.
Peugeot 308 1.5 BlueHDi 100/130/2.0 BlueHDi 180/SW
Markteinführung: Oktober 2017/März 2018
"Die Messungen zeigen exzellente Resultate bei Stickoxiden und Zahl der Feinstaubpartikel", urteilte die Umwelt-Lobbygruppe Transport and Environment über Peugeot-Modelle.
Peugeot 508 BlueHDi 180
Markteinführung: Oktober 2018
Peugeot hatte zuvor bereits mit Umweltorganisationen den realistischen Verbrauch seiner Autos gemessen und kommuniziert.
Peugeot 5008 1.5 BlueHDi 130/180
Markteinführung: November 2017
Mit der Kommunikation der Abgaswerte hatte sich PSA aber Zeit gelassen - offenbar mussten die Motoren für die Messung unter realistischen Bedingungen noch optimiert werden.
Volvo V40 D2/D3/Cross Country D2/D3
Markteinführung: März 2018
Die Schweden haben mutig verkündet, sich bald ganz vom Verbrennungsmotor zu verabschieden.
Volvo V60 D3/D4
Markteinführung: Juli 2018
Zunächst bringen sie aber noch verbesserte Diesel auf den Markt, die weniger Abgase ausstoßen.
Volvo XC40 D3/D4
Markteinführung: Februar 2018
Mittelfristig dürften herkömmliche Diesel-Autos aber Probleme mit den CO2-Grenzwerten bekommen.
Volvo XC 60 D3/D4/D5
Markteinführung: November 2017/Februar 2018
Diese gelten aber nicht für einzelne Autos, sondern gesamte Flotten.
Volvo S90 D3/D4/D5
Markteinführung: März 2017
Deshalb sind Fahrverbote aufgrund eines hohen CO2-Ausstoßes unrealistisch - zumal das Treibhausgas nicht unmittelbar gesundheitsschädlich ist.
Volvo XC90 D5
Markteinführung: November 2017
Hybride und Elektroautos werden daher weiterhin eine wachsende Rolle spielen -auch wenn die Hersteller die Lebenszeit des Diesel mit der neuen Abgasnorm womöglich verlängert haben.
Laut Fachleuten sind Fahrer von Autos mit der neuen Abgasnorm Euro 6d-temp bis auf Weiteres sicher vor Fahrverboten. In ersten Tests haben manche Modelle sogar extrem viel besser abgeschnitten als es die Grenzwerte zulassen. Umfangreiche Ergebnisse werden aber erst in den kommenden Wochen erwartet.
Scheuer scheint hier wie sein Vorgänger die Autoindustrie schonen und auf ihre propagierten Softwarelösungen vertrauen zu wollen. Opportun erscheint es Scheuer zugleich, den Austausch von Diesel-Autobussen gegen umweltfreundlichere Fahrzeuge anzukündigen und unisono eine satte Förderung von bis zu 80 Prozent auszuloben. Das jedenfalls plant die Bundesregierung seinen Worten zufolge.
Dafür würde zwar Steuergeld zur Verfügung gestellt, Autofahrer und Autoindustrie aber geschont. Effektiv wäre das aber nicht wirklich: Dass öffentliche Nahverkehrsbusse in Städten für den deutlich kleineren Anteil an Stickoxid-Ausstoß verantwortlich sind, verschwieg Scheuer daher wohlweislich.
rei mit dpa
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